Montag, 7. Oktober 2024

Girlpower trifft auf Märchenklassiker

Das Mädchen mit den Schwefelhölzern schlägt zurück


Emma Carroll (Autor*in) / Lauren Child (Illustrator*in)

  • Altersempfehlung: ab 9 Jahren

  • ISBN: 978-3-039670284
  • Erscheinungstermin: 11.09.2024
  • Seiten: 208
  • Verlag: WoowBooks

Covertext

Bridie arbeitet hart und verkauft auf den Straßen Londons Streichhölzer, um ihre Familie zu ernähren. Als sie nur noch drei Streichhölzer übrig hat, entzündet sie diese, da ihr so unendlich kalt ist. Durch magische Wirkungen jedes einzelnen Streichholzes sieht sie Zukunftsvisionen von sich selbst. Auf diese Weise erkennt Bridie, dass sie die Macht hat, ihr eigenes Schicksal zu verändern. Voller Tatendrang und Leidenschaft führt sie die Arbeiterinnen
in einen Streik und lässt die schrecklichen Zukunftsvisionen so, eine nach der anderen, in Rauch aufgehen …

Rezension 

Seit Bridie sprechen kann, verdient sie Geld für den Lebensunterhalt ihrer Familie mit dem Verkauf von Streichhölzern. Da sie ohne Vater aufwächst, steht der kleinen Familie nur das unzureichende Gehalt ihrer Mutter zur Verfügung, welche unter schäbigen und gesundheitsschädlichen Bedingungen in der örtlichen Streichholzfabrik arbeitet.

Beeindruckend wird ein spannendes Stück Zeitgeschichte altersentsprechend und nachvollziehbar erzählt.

„Das Mädchen mit den Zündhölzern“ von Hans Christian Andersen ist eines der traurigsten Weihnachtsmärchen das ich kenne. Es sind die Fieberträume eines armen Mädchens von einem besseren Leben, während es vor der Haustür einer wohlhabenden Familie hungernd erfriert.

Emma Carroll war mit dem Ausgang der Geschichte ebenfalls unzufrieden und hat diese nun nicht nur neu erzählt, sondern dem Mädchen mit den Zündhölzern auch eine Stimme gegeben. Die Handlung verlegt sie in das Jahr 1888. In dem Jahr fand der sogenannte „Matchgirls‘ strike“ der Arbeiterinnen bei „Bryant May“ statt. Während dieses Streiks forderten die Frauen ihr Recht auf faire Behandlung ein. Als weiteres Resultat aus dem Streik kam es zur Gründung der größten Gewerkschaft für Frauen und Mädchen zum damaligen Zeitpunkt.

Die Frauen in den Fabriken standen 14 Stunden an ihren Arbeitsplätzen und auch in den kleinen Pausen durften sie den Arbeitsbereich nicht verlassen. Dadurch waren sie ständig dem hochgiftigen weißen Phosphor ausgesetzt und erkrankten schwer.

Genau diese Situationen werden aus Sicht eines arbeitenden Kindes im Buch geschildert. Durch Erzählperspektive und verständlichem Erzählton ist eine Geschichte über Mut, Erkennen des eigenen Wertes und gemeinsamen Kampf gegen Ungerechtigkeiten entstanden.

Sehr schön wird beschrieben, wie sich die Kinder über Kleinigkeiten freuen und wie schwer es ist, mit dem geringen Lohn aus den Fabriken den täglichen Bedarf einer Familie zu finanzieren. Bridie hat noch einen kleinen Bruder dem unbedingt eine Schulausbildung ermöglicht werden soll. Obwohl es zu dem Zeitpunkt bereits eine Schulpflicht gibt, arbeiten viele Kinder für den Lebensunterhalt ihrer Familien.

In dieser fesselnden Erzählung wird Geschichte lebendig. Die schonungslose Ehrlichkeit macht betroffen, lässt die Lesenden nachdenklich zurück. Zahlreiche Gesprächsanlässe fordern zum regen Austausch auf.

Die schwarz-weißen Zeichnungen von Lauren Child fangen die Stimmung im Buch perfekt ein. Einziger Farbtupfer im tristen Grau sind die leuchtenden roten Haare von Bridie. Sie haben eine starke Symbolkraft und bieten einige Interpretationsmöglichkeiten.

Interessant sind auch die Anmerkungen von Autorin und Illustratorin sowie die beigefügten Fotos am Ende des Buches.

Emma Carroll und Lauren Child ist mit diesem tollen Buch ein Gesamtkunstwerk gelungen, welches Wort und Bild in einer beeindruckenden realistischen Geschichte mit fantastischen Elementen miteinander verbindet.

Für Euch gelesen und rezensiert

Emmy Lantern

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