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Montag, 17. Juni 2024

Absolut großartiges Leseerlebnis

Country Place

Petry, Ann (Autor*in / Illustrator*in)

  • Altersempfehlung: ab 16 Jahren
  • ISBN:978-3312013241
  • Erscheinungstermin: 19.03.2024
  • Seiten: 336
  • Verlag: Nagel & Kimche

Covertext

Ein kleiner Ort in Connecticut: Johnnie kommt aus dem Zweiten Weltkrieg zurück. Die Kleinstadt ist nicht das Idyll, zu dem Johnnie sie in seiner Sehnsucht gemacht hat – ebenso wenig wie Glory die wunderbare Ehefrau ist, wie er nach und nach erkennen muss. Johnnie empfindet sich nicht nur als Kriegsveteran, sondern auch als Veteran »des nicht enden wollenden Kampfes zwischen denen, die zu Hause blieben, und denen, die weggingen«. Das Städtchen Lennox ist klatschsüchtig, böswillig und dünkelhaft. Es pflegt seine Verachtung für alles Fremde: das schwarze Dienstmädchen Neola, der portugiesische Gärtner, der jüdische Anwalt und die irischen Katholiken der Stadt gelten als »anders« und nicht dazugehörig. Ann Petry zeigt, was passiert, wenn alle Fassaden bröckeln und ein großer Teil der Einwohner von Lennox sich als menschlich mies, intolerant, reaktionär oder gierig entpuppen. Bis auf wenige Ausnahmen …  

Rezension  

Der Roman „Country Place“ von Ann Petry erschien bereits im Jahr 1947 und ist für mich eine tolle Entdeckung gewesen. Vom Klappentext her erwartete ich eine Story, die sich hauptsächlich um den Protagonisten Johnnie dreht sowie dessen Kriegstraumata und seine Heimkehr ins beschauliche Lennox, bei welcher er feststellen muss, dass vieles anders ist, als vor seinem Eintritt in die Army. Was mich dann überraschte, war zunächst die außergewöhnliche Erzählperspektive. Einerseits schildert der Besitzer des Drugstores bzw. Stadtapotheker Fraser das Geschehen, der die handelnden Personen gut kennt und angibt, die Abläufe genau chronologisch zu erläutern. Er benennt klar Sympathien und Antipathien für die verschiedenen Kleinstadtbewohner und betrachtet die Situationen detailliert, oft aber sehr nüchtern und doch mit sprachlicher Brillianz. Andererseits wird die Geschichte hauptsächlich von einem allwissenden Erzähler beleuchtet, der den Lesenden tiefe Einblicke in die Emotionen und Gedanken der Personen gibt. Phasenweise verfällt dieser auch sprachlich in den Slang der Menschen, um die es gerade geht. Durch detaillierte, auch übertriebene Beschreibungen erreicht Ann Petry, dass man sich die einzelnen Charaktere sehr realistisch vorstellen kann. Es entsteht ein Bild vom Kleinstadtleben, welches interessant, überraschend und auch schockierend ist, ebenso wie die Bewohner und der Fortgang der Geschichte.

Als Johnnie nach dem Krieg nach Hause kommt, ist er gebeutelt vom Krieg und erwartet voller Sehnsucht seine junge Frau Glory, die bei seinen Eltern wohnt. Johnnie geht davon aus, dass in Lennox alles so ist, wie er es in Erinnerung hat. Doch weit gefehlt: nicht nur ihn selbst hat der Krieg verändert, sondern auch alles andere. Glory liebt ihn nicht so, wie Johnnie es sich wünscht, sondern träumt dem Weiberheld der Stadt, Ed, hinterher. Dieser hatte bereits alle möglichen Frauen der Stadt (auch die unmöglichen, z.B. Glory´s Mutter!). Wird sich Glory auf ihn einlassen und Johnnie aufgeben? Auch die reiche Familie Gramby spielt eine wichtige Rolle im Stadtgeschehen. Die alte, vornehme Mrs. Gramby vergöttert ihren schwer arbeitenden Sohn Mearns und hasst mit Inbrunst ihre Schwiegertochter (Glorys Mutter). Kann Mrs. Gramby die Geschicke so lenken, dass sie diese los wird? Und da ist nicht zuletzt der Taxifahrer des Ortes, von allen Wiesel genannt, der scheinbar überall seine (nicht immer sauberen) Finger im Spiel hat.

Die Verstrickungen der Geschichte streben vor dem Hintergrund einer verbohrten Kleinstadtidylle und im Angesicht eines herannahenden Sturms auf einen starken Höhepunkt zu, welcher überrascht und die Story fulminant abrundet. Es tauchen immer wieder kleine Nebenerzählstränge auf, welche die Geschichte bereichern und ein immer präziseres Bild der Zeit, der Stadt und der Gesellschaft insgesamt vermitteln. Bedenkt man dann noch den historischen Hintergrund, vor welchem Ann Petry den Roman geschrieben hat und die gesellschaftlichen Gepflogenheiten der Zeit sowie die Tatsache, dass die Autorin eine farbige Frau ist, wird der Roman in vielerlei Hinsicht zu etwas Besonderem. Themen wie Rassismus, Frauenfeindlichkeit, häusliche Gewalt und weitere Aspekte werden im Roman bearbeitet, wodurch ein sehr intensives Bild beim Leser angeregt wird. Das Nachwort eröffnet Diskussionsperspektiven. „Country Place“ ist ein tolles Buch, welches ich sehr empfehlen kann und mit Sicherheit noch einmal lesen werde. (18 Jahre)

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