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Dienstag, 11. November 2025

Ein wichtiges Buch, das gelesen werden will – und sollte!

Der Himmel fällt

Lorenza Mazzetti (Autor*in) 


  • Altersempfehlung: ab 16 Jahren
  • ISBN: 978-3312014293
  • Erscheinungstermin: 26.08.2025
  • Seiten: 192
  • Verlag: Nagel und Kimche

Covertext

Die achtjährige Penny und ihre jüngere Schwester Baby leben in einem Landhaus in der Nähe von Florenz bei ihren jüdischen Verwandten, die sie nach dem Unfalltod der Eltern aufgenommen haben. Italien befindet sich im Krieg, davon spüren die Mädchen jedoch zunächst nur wenig. In ihren Spielen schaffen sich die beiden Schwestern eine eigene Welt. Und doch rücken die Bedrohungen des Nationalsozialismus und der antisemitischen Verfolgung näher, der Himmel fällt auf die Erde, so scheint es den beiden, und Tod und Schrecken lassen das Paradies zum Schauplatz einer Tragödie werden.

Lorenza Mazzettis Roman »Der Himmel fällt« wurde in Italien erstmals 1961 veröffentlicht und verarbeitet die Kindheitserlebnisse der Autorin während der deutschen Besetzung. Sie wuchs mit ihrer Zwillingsschwester im Haus ihres Onkels auf, eines Cousins von Albert Einstein, der zusammen mit seiner Familie den Deutschen zum Opfer fiel. Ihr schmerzlich aufrichtiges Buch über eine Kindheit in grausamer Zeit ist ein lebendiger Appell an die Pflicht des Erinnerns und erscheint nun in einer Neuübersetzung von Ulrike Schimming.

Rezension  

Der Roman „Der Himmel fällt“ von Lorenza Mazzetti machte mich aufgrund seines Klappentextes sehr neugierig, da er bereits 1961 erstmals erschien und nun neu aufgelegt wurde. Zudem setzt er sich mit einem Thema auseinander, das immer wieder – und gerade jetzt – aktuell ist bzw. sein sollte: dem Schrecken der faschistischen Regime während des Zweiten Weltkriegs. Vor dem Hintergrund aufstrebender rechter Bewegungen sind derartige literarisch aufbereitete Zeitzeugenberichte wichtiger denn je.

Die Autorin beschreibt aus ihrer damaligen kindlichen Sicht die Ereignisse, die sie während der Zeit des Zweiten Weltkriegs in Italien erlebte. Gemeinsam mit ihrer Schwester Baby lebt die junge Lorenza, genannt Penny, auf dem Anwesen ihres Onkels und dessen Familie. Die Mädchen sind Waisen. Onkel Wilhelm ist wohlhabend, die Familie sehr gebildet. Davon profitieren natürlich auch Penny und Baby, obwohl sie liebend gern mit den Kindern der umliegenden Bauern spielen und es teilweise faustdick hinter den Ohren haben.

Der Alltag in der Schule und auf dem Gut des Onkels, die strenge Erziehung sowie die Spiele, Fantasien und Emotionen der kleinen Penny werden kindlich-naiv aus der Ich-Perspektive in kurzweiligen Kapiteln beschrieben. Dabei wird deutlich, wie sehr die Kinder in jener Zeit einerseits durch die katholische Kirche, andererseits durch die in der Schule allgegenwärtige faschistische Erziehung indoktriniert wurden. Der Duce, Benito Mussolini, wird von den Kindern daher genauso geliebt wie Gott und Jesus.

Die gedankliche und spielerische Auseinandersetzung der Kinder mit diesen beiden Aspekten nimmt im Roman viel Raum ein und vermittelt eindrucksvoll, welche Macht und Strahlkraft sowohl der Pfarrer als auch die Lehrer und das System der Propaganda auf die jungen Menschen ausübten. Penny und Baby geraten moralisch und emotional immer wieder in eine Zwickmühle: Sie verehren den Duce, beten Gott aufgrund ihres katholischen Elternhauses an, lieben aber auch ihren Onkel über alles – der jüdischen Glaubens ist.

Im Laufe der Lektüre wird anhand vieler Beispiele deutlich, dass während des Mussolini-Regimes trotz unterschiedlicher Überzeugungen dennoch auf allen Seiten auch Menschlichkeit existierte. Fast bis zum Ende des Romans kann man sich als Leser:in nicht vorstellen, dass die Geschichte, die durch die kindliche Perspektive zeitweise sogar zum Schmunzeln verleitet, in einer unvorstellbaren Tragödie endet.

Zunächst brauchte ich einen Moment, um mich in die kleine Penny und ihre Erzählweise hineinzuversetzen, doch dann fand ich den kurzweiligen, manchmal sprunghaften Stil unterhaltsam und sehr passend gewählt, da so die kindliche Gedankenwelt hervorragend repräsentiert wird. Die intensive Beschäftigung Pennys mit christlichen Inhalten nimmt viel Raum ein, was für manche Leser:innen vielleicht befremdlich oder verwirrend wirken mag, mir jedoch vor dem historischen Hintergrund der damaligen Erziehung einleuchtend erschien.

Dieser Roman bietet die Möglichkeit, sich auf einer ganz anderen Ebene mit dem Thema auseinanderzusetzen. Viele Aspekte des Buches erschließen sich erst durch das Nachdenken oder gemeinsame Besprechen, da sie teilweise nicht offensichtlich kommuniziert werden. Dadurch bietet sich viel Raum für Diskussion und Interpretation.

„Der Himmel fällt“ ist ein wichtiges Buch, das gelesen werden will – und sollte!

Für Euch gelesen, zusammengefasst und empfohlen

Montag, 17. Juni 2024

Absolut großartiges Leseerlebnis

Country Place

Petry, Ann (Autor*in / Illustrator*in)

  • Altersempfehlung: ab 16 Jahren
  • ISBN:978-3312013241
  • Erscheinungstermin: 19.03.2024
  • Seiten: 336
  • Verlag: Nagel & Kimche

Covertext

Ein kleiner Ort in Connecticut: Johnnie kommt aus dem Zweiten Weltkrieg zurück. Die Kleinstadt ist nicht das Idyll, zu dem Johnnie sie in seiner Sehnsucht gemacht hat – ebenso wenig wie Glory die wunderbare Ehefrau ist, wie er nach und nach erkennen muss. Johnnie empfindet sich nicht nur als Kriegsveteran, sondern auch als Veteran »des nicht enden wollenden Kampfes zwischen denen, die zu Hause blieben, und denen, die weggingen«. Das Städtchen Lennox ist klatschsüchtig, böswillig und dünkelhaft. Es pflegt seine Verachtung für alles Fremde: das schwarze Dienstmädchen Neola, der portugiesische Gärtner, der jüdische Anwalt und die irischen Katholiken der Stadt gelten als »anders« und nicht dazugehörig. Ann Petry zeigt, was passiert, wenn alle Fassaden bröckeln und ein großer Teil der Einwohner von Lennox sich als menschlich mies, intolerant, reaktionär oder gierig entpuppen. Bis auf wenige Ausnahmen …  

Rezension  

Der Roman „Country Place“ von Ann Petry erschien bereits im Jahr 1947 und ist für mich eine tolle Entdeckung gewesen. Vom Klappentext her erwartete ich eine Story, die sich hauptsächlich um den Protagonisten Johnnie dreht sowie dessen Kriegstraumata und seine Heimkehr ins beschauliche Lennox, bei welcher er feststellen muss, dass vieles anders ist, als vor seinem Eintritt in die Army. Was mich dann überraschte, war zunächst die außergewöhnliche Erzählperspektive. Einerseits schildert der Besitzer des Drugstores bzw. Stadtapotheker Fraser das Geschehen, der die handelnden Personen gut kennt und angibt, die Abläufe genau chronologisch zu erläutern. Er benennt klar Sympathien und Antipathien für die verschiedenen Kleinstadtbewohner und betrachtet die Situationen detailliert, oft aber sehr nüchtern und doch mit sprachlicher Brillianz. Andererseits wird die Geschichte hauptsächlich von einem allwissenden Erzähler beleuchtet, der den Lesenden tiefe Einblicke in die Emotionen und Gedanken der Personen gibt. Phasenweise verfällt dieser auch sprachlich in den Slang der Menschen, um die es gerade geht. Durch detaillierte, auch übertriebene Beschreibungen erreicht Ann Petry, dass man sich die einzelnen Charaktere sehr realistisch vorstellen kann. Es entsteht ein Bild vom Kleinstadtleben, welches interessant, überraschend und auch schockierend ist, ebenso wie die Bewohner und der Fortgang der Geschichte.

Als Johnnie nach dem Krieg nach Hause kommt, ist er gebeutelt vom Krieg und erwartet voller Sehnsucht seine junge Frau Glory, die bei seinen Eltern wohnt. Johnnie geht davon aus, dass in Lennox alles so ist, wie er es in Erinnerung hat. Doch weit gefehlt: nicht nur ihn selbst hat der Krieg verändert, sondern auch alles andere. Glory liebt ihn nicht so, wie Johnnie es sich wünscht, sondern träumt dem Weiberheld der Stadt, Ed, hinterher. Dieser hatte bereits alle möglichen Frauen der Stadt (auch die unmöglichen, z.B. Glory´s Mutter!). Wird sich Glory auf ihn einlassen und Johnnie aufgeben? Auch die reiche Familie Gramby spielt eine wichtige Rolle im Stadtgeschehen. Die alte, vornehme Mrs. Gramby vergöttert ihren schwer arbeitenden Sohn Mearns und hasst mit Inbrunst ihre Schwiegertochter (Glorys Mutter). Kann Mrs. Gramby die Geschicke so lenken, dass sie diese los wird? Und da ist nicht zuletzt der Taxifahrer des Ortes, von allen Wiesel genannt, der scheinbar überall seine (nicht immer sauberen) Finger im Spiel hat.

Die Verstrickungen der Geschichte streben vor dem Hintergrund einer verbohrten Kleinstadtidylle und im Angesicht eines herannahenden Sturms auf einen starken Höhepunkt zu, welcher überrascht und die Story fulminant abrundet. Es tauchen immer wieder kleine Nebenerzählstränge auf, welche die Geschichte bereichern und ein immer präziseres Bild der Zeit, der Stadt und der Gesellschaft insgesamt vermitteln. Bedenkt man dann noch den historischen Hintergrund, vor welchem Ann Petry den Roman geschrieben hat und die gesellschaftlichen Gepflogenheiten der Zeit sowie die Tatsache, dass die Autorin eine farbige Frau ist, wird der Roman in vielerlei Hinsicht zu etwas Besonderem. Themen wie Rassismus, Frauenfeindlichkeit, häusliche Gewalt und weitere Aspekte werden im Roman bearbeitet, wodurch ein sehr intensives Bild beim Leser angeregt wird. Das Nachwort eröffnet Diskussionsperspektiven. „Country Place“ ist ein tolles Buch, welches ich sehr empfehlen kann und mit Sicherheit noch einmal lesen werde. (18 Jahre)

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