Wie ein Foto unser Leben rettete
Maya C. Klinger (Autor*in)Isabel Kreitz (Illustrator*in)
Altersempfehlung: ab 7 Jahren- ISBN: 978-3458644934
- Erscheinungstermin: 14.04.2025
- Seiten: 120
- Verlag: Insel
Covertext
Der fünfjährige Gavra Mandil lebt mit seinen Eltern und seiner
kleinen Schwester Irena in Jugoslawien. Der Vater ist Fotograf und die
Geschwister freuen sich immer sehr, wenn sie ihn in seinem Geschäft
besuchen dürfen und fotografiert werden. Doch mit dem Beginn des Zweiten
Weltkriegs gerät Gavras heile Welt aus den Fugen. Das Land wird von den
Nazis besetzt und alle jüdischen Menschen müssen nun einen gelben Stern
tragen. Auch Gavra und seine Familie. Als ihnen die Deportation droht,
beschließen sie zu fliehen. Der Weg ist gefährlich, doch dank eines ganz
besonderen Fotos von Gavra und Irena unterm Weihnachtsbaum kann die
Familie entkommen. Lange irren sie umher und finden schließlich Schutz
bei einer albanischen Familie, die sie vor den Nazis versteckt und allen
das Leben rettet.
Rezension
Der Titel und das Cover dieses Kinderbuches haben mich sofort angesprochen, da ich mich sehr für das Thema der Judenverfolgung im Dritten Reich und vor allem das Überleben dieser Menschen interessiere. In diesem Buch wird eindrucksvoll dargestellt, wie viel Glück, Zufälle und vor allem Nächstenliebe es bedurfte, um diese schreckliche Zeit zu überstehen. Die von Maya C. Klinger nacherzählte Geschichte der Familie Mandil, welche aus der Ich-Perspektive des jüdischen Jungen Gavra Mandil beschrieben ist, macht für junge Lesende in Ansätzen, aber dennoch nachhaltig deutlich, was damals geschah.
Auf dem Cover begegnet uns die vierköpfige jugoslawische Familie Mandil, die vor ihrem Fotogeschäft in Novi Sad steht. Sie leben ein beschauliches Leben, haben ihr Auskommen und sind glücklich. In der Gesellschaft werden sie geachtet und geschätzt. Für den kleinen Gavra ist das Thema Krieg weit weg, doch er nimmt eine zunehmende Unruhe unter den Erwachsenen wahr. Noch versteht er nicht in vollem Ausmaß, was die näher rückende deutsche Armee für seine Existenz bedeutet, doch eines begreift er schnell: da sie jüdischen Glaubens sind, schweben sie in Gefahr. Von einem Besuch bei der geliebten Großmutter in Belgrad kann die Familie nicht in ihre Heimatstadt und das Haus zurückkehren. Die Eltern planen von Belgrad aus eine Flucht, die auch Gavra und seiner kleinen Schwester viel abverlangt. Es beginnt eine Odyssee durch viele Orte, zu Fuß, mit dem Esel, auf Lastern oder mit der Eisenbahn, immer unter falscher Identität und mit der Angst im Nacken, entdeckt zu werden.
Durch Zufall entgeht die Familie immer wieder der Verhaftung und kommt letztendlich in Albanien an. Dort erfahren sie die besonderen Schutz der Landsleute, für die es zum Ehrenkodex gehört, Gäste zu beschützen. Auch in Albanien leben die Mandils getarnt und versteckt, doch sie überleben. Was ein besonderes Foto damit zutun hat, lest ihr am besten selbst. Das Foto ist für mich ein großes Symbol für alle, teilweise fast surrealen kleinen und großen Zufälle, die sich damals oft schicksalsentscheidend auswirkten.
Dieses Buch setzt ein Zeichen der Hoffnung und zeigt auf, dass schutzsuchende Mitmenschen, ungeachtet ihrer Herkunft, Religion oder des äußeren Erscheinungsbildes, unsere Unterstützung brauchen. Es kann gerade in der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung nicht genug derartige Kinderbücher geben, die einer erstarkenden Fremdenfeindlichkeit entgegenwirken. Dies gelingt meines Erachtens nach durch die Berichte von Zeitzeugen am besten. Daher ist das Buch eine wertvolle Gelegenheit, Kinder für das Thema aufzuschließen und erste Eindrücke diesbezüglich zu vermitteln.
Maya C. Klinger ist es sehr gut gelungen, die Verfolgung jüdischer Menschen kindgerecht darzustellen. In der Erzählung werden keine erschreckende Details aufgeführt, die Kinder eventuell verstören könnten. Dennoch sind die Angst und Gefahr sowie die widrigen Umstände während der Flucht und in den Verstecken für die Leserschaft spürbar. Im Grundsatz ist die Geschichte sehr positiv und lebensbejahend geschrieben, der Fokus wird vor allem auf die Helfer, Freunde und glücklichen Fügungen gelegt, die das Überleben der Mandils ermöglichten.
Die Wahl der Ich-Perspektive des kleinen Gavra erachte ich als sehr gelungen, da sich Kinder dadurch gut in dessen Position hineinversetzen können. Ganz toll sind die Illustrationen von Isabel Kreitz sowie einige Originalfotos, welche einzelne Szenen hervorheben und die Geschichte sowie die Protagonisten lebendiger machen. Auch das Nachwort, welches Gavras Lebensweg und den der wichtigsten Menschen im Buch kurz anreißt, stellt die besondere Bedeutung von Hilfsbereitschaft, Mitgefühl und Freundschaft noch einmal zusammenfassend heraus.
Ich habe das Buch an einem Abend gelesen und war sehr positiv beeindruckt. Für alle Eltern, Großeltern und pädagogisch Tätige empfehle ich das Buch sehr, wenn es darum geht, Kindern einen ersten, behutsamen Einblick in die Zeit des Krieges und des Holocausts zu vermitteln. Die Kinder sollten jedoch grundsätzlich ein wenig Vorwissen bezüglich des Judentums als Religion besitzen und auch grob über den 2. Weltkrieg Bescheid wissen. Daher empfehle ich das Buch ab etwa 8 Jahren.
Dank der einfach verständlichen Sätze und kurzen Kapitel eignet es sich auch sehr gut zum selber lesen. Ich kann mir das Werk auch Klassenlektüre vorstellen, da es sicher bei vielen Kindern Fragen aufwirft und zahlreiche Möglichkeiten bietet, sich z.B. auch in der eigenen Umgebung mit jüdischem Leben und den Geschichten aus der Zeit des Krieges auseinanderzusetzen.
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