Wiederholung
Vigdis Hjorth (Autor*in)
Altersempfehlung: ab 16 Jahren- ISBN: 978-3-10-397690-8
- Erscheinungstermin: 26.03.2025
- Seiten: 160
- Verlag: S.Fischer
Covertext
Eine Frau geht durch den Wald, und alles, was sie vergessen will,
kehrt zu ihr zurück. So nähert sie sich Atemzug für Atemzug dem
sechzehnjährigen Mädchen, das sie einmal gewesen ist. Der erste Kuss auf
einer Party. Der erste überwältigende Rausch, der den Körper so leicht
werden ließ. Die Mutter, die mit Argusaugen über sie wacht und ihren
unbändigen Lebenshunger kontrolliert. Der Vater, der sich immer weiter
distanziert.
Rezension
Wie gut kennen wir uns selbst? Sind wir uns aller bisher gemachten Erfahrungen immer bewusst? Oder vergräbt unser Bewusstsein gewisse, besonders schlimme Erlebnisse so tief, dass sie uns nicht mehr bewusst sind? Doch wie dem auch sei…. Irgendwann tritt alles ans Licht, Szenen wiederholen sich, triggern uns und am Ende passen alle Teile eines Lebens zusammen - auch, wenn das entstandene Bild kein schönes ist.
In ihrem neuen Roman „Wiederholung“ konfrontiert Vigdis Hjorth ihre Leserschaft mit einem solchen Ereignis, welches innerhalb der Zeilen beklemmend spürbar ist, aber anfangs noch nicht greifbar. Wir lernen auf den ersten Seiten eine namenlose, erfolgreiche Schriftstellerin kennen und spüren gleich: etwas bedrückt sie. Die Protagonistin beschreibt ihre Jugend in den 70er Jahren in Norwegen, das Geschehene liegt also lange zurück. Mit mehreren Geschwistern, Mutter und Vater lebt sie in einer Wohnung und möchte gern alles erleben, was sie aus den Erzählungen anderer Jugendlicher kennt: Partys, Drinks und Jungs. Dafür ist sie jedoch zunächst zu schüchtern und angepasst, doch ausgerechnet die übertriebene Angst und Überwachung durch ihre Mutter sorgen für eine selbsterfüllende Prophezeiung. Das Mädchen tut dann genau das, was ihre Mutter ihr unterschwellig und vor allem ungerechtfertigterweise vorwirft. Sie geht heimlich zu Partys, trinkt mit ihren Freundinnen und lernt einen Jungen kennen. Während ihr Vater eine distanzierte, teilweise gleichgültige Rolle einnimmt, rückt die Mutter immer mehr in die Privatsphäre des Mädchens vor und nährt damit den Durst nach Freiheit und Unabhängigkeit. Letztendlich erlebt die junge Frau ein enttäuschendes erstes Mal, schreibt es in ihrem Tagebuch aber gänzlich anders nieder. Als die Eltern dies lesen, findet vor allem die Mutter alle bisherigen Befürchtungen bezüglich des sittlichen Untergangs der Tochter bestätigt und immer mehr erkennt die Protagonistin, was hinter dem Verhalten der Eltern steht. Denn das Bewusstsein mag das Schreckliche verdrängt haben, doch ihr Körper hat nicht vergessen.
Ich habe dieses Buch sehr schnell gelesen, da mir einerseits der Schreibstil sehr gut gefallen hat und mich andererseits von Beginn an die beklemmende, teilweise unruhige Atmosphäre des Buches voran getrieben hat. Das Buch ist zwar nicht sehr umfangreich, dafür aber sehr intensiv geschrieben und transportiert die Gefühlslage der Protagonistin, die nach einer unbeschwerten Jugend giert ebenso gut wie die unaussprechliche Last, die das traumatische Familiengeheimnis ihr aufbürdet. Den Lesenden wird damit unverblümt vermittelt wie schwer Missbrauch ein Leben verändert und belastet, auch wenn er mit aller Macht verdrängt wurde. Ich halte dieses Buch für ein wichtiges Werk, welches sich mit den unheimlichen Strukturen von familiärem Missbrauch auseinandersetzt ohne dabei ins schreckliche Detail zu gehen. Es wird eher die emotionale Ebene beleuchtet, was mir sehr nahe gegangen ist. Ich kannte die Autorin bisher noch nicht und bin sehr positiv von ihrem Schreiben überrascht. Für alle Leser, die sich gern mit Büchern auseinandersetzen, welche aufwühlend sind und unter die Haut gehen, empfehle ich es sehr.
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