Sonntag, 4. Februar 2024

Eine epische, mitreißende Familiengeschichte

 Das Erbe unserer Zeit

Lindemann, Clara (Autor*in)

  • Altersempfehlung: ab 18 Jahren
  • ISBN: ‎  978-3-551-02918-8
  • Erscheinungstermin: 25.04.2023
  • Seiten: 304
  • Verlag: HarperCollins

Covertext

München-Schwabing, 1958: Gerda Branniger steht in den Startlöchern, um das familiäre Hopfenimperium zu übernehmen. Ihr Leben lang hat sie sich darauf vorbereitet, nur eines fehlt ihr: das "richtige" Geschlecht, denn plötzlich wird ihr der völlig unqualifizierte Bruder vor die Nase gesetzt. Dann erhebt auch noch Schwester Liesel Anspruch auf den Chefsessel – für ihren Ehemann. Gerda hat nur eine Verbündete in dem ungleichen Kampf: ihre Freundin Billie, die als Ingenieurin schon seit Jahren um Anerkennung in einer Männerwelt ringt. Doch während bei Billies Kampf nur regelmäßig die Kündigung droht, steht bei Gerda schon bald das jahrhundertalte Erbe der Familie auf dem Spiel …

Rezension  

Mit diesem Roman beschreibt die Autorin Clara Lindemann detailliert das Leben von drei sehr unterschiedlichen Frauen Ende der 50er Jahre in Deutschland, einer Zeit, die immer noch stark geprägt war vom Krieg und alten Rollenklischees. Diesem entsprechen die Frauen bis auf eine teilweise gar nicht mehr und dennoch wird ihr Leben davon geprägt und oft negativ beeinflusst. Alle drei Frauen – Gerda, Billie und Liesel – sind miteinander verwandet bzw. befreundet oder bekannt und könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Gerda und Billie sich trotz der Grenzen, die ihnen durch die Männerwelt gesetzt werden, langsam emanzipieren und durchsetzen, verkörpert Liesel Tradition und klassisches Rollenbild der dienenden Ehe- und Hausfrau. Gerda und Liesel sind Schwestern und Erben eines gut laufenden Unternehmens. Während Liesel jedoch mit diesem zunächst nicht viel zu tun hat und in erster Linie ihren im Unternehmen beschäftigten Mann unterstützt, ist es Gerdas Traum, an der Spitze der Firma zu stehen. Als alleinstehende, gebildete Frau wird sie jedoch oft von der männerdominierten Geschäftswelt nicht wahr- und ernst genommen und selbst, als der Vater aus zunächst nicht näher bezeichneten Gründen untertaucht, muss sie auf die Chefposition verzichten. Im Laufe des Romans ist Gerda immer wieder überraschenden Wendungen und Intrigen ausgesetzt, die sie jedoch kühn meistert. Ohne großartige Gefühlsduselei widmet sie sich ihrer Profession, dem Hopfenanbau bzw. der Vermarktung des Hopfens, und findet darin ihr Glück – samt der Liebe, die ihr fast am Endes des Romans begegnet.
Ihre beste Freundin Billie ist ebenso gebildet, im Gegensatz zu Gerda aber impulsiv, emanzipierter und zudem verheiratet. Nicht nur beruflich eckt Billie durch ihre direkte Art an, auf privat riskiert sie viel, um sich selbst zu verwirklichen. Billies Wege kreuzen auch das Hopfenunternehmen und es wird aufgezeigt, dass Gerda und Billie die Firma perfekt führen könnten – wenn da nicht verschiedene Ereignisse und nicht zuletzt Liesels Eingreifen den Weg immer wieder erschweren würden. Liesel intrigiert im Hintergrund, um ihrem untreuen Mann die Unternehmensspitze zu sichern und steuert damit nicht nur Andere, sondern auch sich selbst immer mehr ins Abseits. 
Insgesamt hat es viel Spaß gemacht, die Entwicklung der drei Frauen im Roman zu verfolgen und die immer wieder auftauchenden Wendungen mit Spannung zu erleben. Der Aufbau des Romans macht das Lesen einfach, denn die einzelnen Kapitel sind jeweils mit den Namen der Frauen überschrieben, um die es im Kapitel geht. So kann man sich als Leser*in gut orientieren und einfühlen. Das von der Autorin gewählte Hauptthema des Hopfenanbaus bzw. der Vermarktung des Hopfens an die Brauereien ist für die Lesenden interessant aufbereitet, da man es in der Literatur nicht häufig findet. Für Leser*innen aus Bayern, insbesondere München und der Hallertau, ist das Lesen sicher eine noch größere Freude, da die Geschichte in diesen Regionen spielt. Dennoch wird das Thema nicht bis ins kleinste Detail langwierig beschrieben, so dass die Lesenden zwar einen Eindruck erhalten, aber nicht gelangweilt werden. Ich empfehle dieses Buch allen, die Familiengeschichten mögen und sich für die Emanzipation von Frauen in den 50ern interessieren. (18 Jahre)

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