Dienstag, 26. August 2025

Zweifle nicht, zögere nicht, hinterfrage nicht

1000 und ich.Zweifle nicht, zögere nicht, hinterfrage nicht

Yorick Goldewskijk (Autor*in)


  • Altersempfehlung: ab 12 Jahren
  • ISBN: 978-3748802785
  • Erscheinungstermin: 26.08.2025
  • Seiten: 160
  • Verlag: Dragonfly

Covertext

Immer wenn ich aus dem Fenster über die schneeweißen Türme von Surdus blicke, denke ich an Flucht.

Für 8 ist jeder Tag gleich. Jeden Tag lebt sie nach einer strengen Lehre, die sie auf ein sinnvolles Leben im Ausland vorbereitet. Jeden Tag fügt sie sich unter Tausende andere Mädchen, die genauso aussehen wie sie.
Aber 8 fühlt anders. Sie fühlt sich besonders, und das ist ein Problem. Denn jemand zu sein, ist verboten und kann sie in große Gefahr bringen. Doch eines Tages hebt ein anderes Mädchen den Blick und sieht sie an. Und für 8 gibt es kein Zurück mehr. Sie wird fliehen müssen. Zusammen mit ihr.

Rezension  

Da ist eine Stadt, Surdus genannt. Sie besteht aus weißen, aalglatten Wohntürmen, Straßen, Plätzen, einem Terminal und einem Wall. Surdus ist riesig. Die Bewohner sind alle gleich, sie tragen keine Namen, sondern Nummern. Niemand hat Kontakt zu einem seiner Mitmenschen. Jeder Tag ist gleich. Aufwachen, hinausgehen, im Strom der Masse zum Terminal gelangen, wo täglich die Kalibrierung erfolgt: das schnelle Beantworten eindeutiger, sinnloser Fragen. Stundenlang. Danach geht es zurück in die Türme, der Tag ist vorbei. Alles wird von den Prinzipien überlagert: du bist niemand und du musst dienen. Wem? Natürlich den sogenannten Beseelten, den Menschen. Abweichungen werden nicht geduldet. 
Hier, in Surdus, lebt sie: 8. Das Mädchen ist jedoch tief in ihrem Inneren nicht das, was es sein soll: sie spürt, dass sie mehr ist als eine seelenlose Gefügige. Schnell merkt 8, dass es scheinbar noch eine Person in Surdus gibt, die abtrünnig ist. Beide finden sich und ein tiefes emotionales Band entsteht, wo doch eigentlich keine Emotionen sein dürfen. Werden die Seher die Mädchen aufspüren? Gelingt ihnen die nahezu unmögliche Flucht aus Surdus?
In seinem neuen Buch „1000 und ich“ entwirft der gefeierte niederländische Autor Yorick Goldewijk ein dystopisches Szenario, welches die Lesenden betroffen macht und zum Nachdenken anregt. Anfangs wird durch den stupiden Tagesablauf der Stadt und die erstickende, einengende Atmosphäre, welche 8 beschreibt, eine beklemmende, fast bedrohliche Stimmung erzeugt. Schnell weicht diese einer flirrenden Spannung, da 8 sich trotz der drohenden Gefahr einer Entdeckung durch die Seher und aufgrund ihrer Emotionen und Gedanken kaum noch anpassen kann.
Nach einer entspannten Phase, in welcher trotzdem eine unterschwellige Spannung und bedrohliche Wachsamkeit mitschwingt, spitzt sich die Handlung dann schnell zu und verleitet zum raschen Lesen, denn Surdus und auch 8 selbst sowie alles, was ihr Leben bisher ausmachte, wird in Frage gestellt. 
Was ist Realität und wo beginnt bzw. endet der Einfluss des Menschen auf diese? Welche Macht besitzen Menschen über die virtuelle Welt und was macht die Menschheit, um sich Andere zum Untertan zu machen? Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine und welche Verantwortung tragen wir als Menschheit dabei? Kann eine KI ein Eigenleben entwickeln? 
Angesichts einer immer rasanteren Entwicklung von KI, Digitalität und der Eroberung des virtuellen Raumes werden solche Fragen in unserer Gesellschaft immer drängender. 
Goldewijk ist es in diesem Roman ausgezeichnet gelungen, diese Problematik mit dem Drang nach Freiheit, dem Thema Freundschaft und spannenden sowie emotionalen Elementen zu verbinden. Obwohl ich eigentlich kein Leser derartiger Literatur bin, habe ich das Buch schnell und mit viel Neugier gelesen. Es hat mich betroffen zurückgelassen und regt sehr zu Diskussionen und zum Nachdenken an. 
Ab einem Lesealter von etwa 15 Jahren kann ich das Buch sehr empfehlen. Auch als Klassenlektüre bietet es großes Potential zur Auseinandersetzung mit aktuell wichtigen Themen.

Für Euch gelesen, zusammengefasst und empfohlen

Dr. Jekyll

Eine Fülle teilweise schwieriger Themen

Nach dem Sommerregen


Kristina Pfister (Autor*in)


  • Altersempfehlung: ab 18 Jahren
  • ISBN: 978-3596711239
  • Erscheinungstermin: 25.06.2025
  • Seiten: 352
  • Verlag: Fischer

Covertext

So unbeschwert wie ein Sommertag, so ernst, wie das Leben manchmal sein kann.

Früher haben sie fast jedes Wochenende im alten Ferienhaus der Familie verbracht, heute treffen sie sich dort nur noch zu besonderen Anlässen: Cecilia, Jonas und Marika Ritter wohnen in alle Winde verstreut, leben ihre eigenen Leben, versuchen, ihre eigenen Krisen zu bewältigen.

Als die Eltern sich trennen, das Haus verkaufen wollen und damit ihr sicherer Hafen wegzubrechen droht, wollen sie ein paar letzte Wochenenden gemeinsam dort verbringen. Zwischen Loslassen und Festhalten, im Versuch, sich als Familie neu zu finden, stellen sich die drei der Frage, wer sie eigentlich sind, ohne das Ferienhaus an der alten Mühle.

Rezension  

Auf der Suche nach einer sommerlichen Lektüre sticht der Roman „Nach dem Sommerregen“ von Kristina Pfister mit seinem schönen Cover ins Auge und verspricht ein sonniges Lesevergnügen. Da mir bereits die beiden bisher erschienenen Romane von Pfister gut gefallen haben, hatte ich dementsprechende Erwartungen an dieses Buch.
Im Mittelpunkt steht die Familie Ritter und ihr Sommerhaus, die „Ritterburg“. Dort trifft man sich alljährlich, um zu feiern, in diesem Jahr Walthers 70. Geburtstag. Er und Marianne sind ewig verheiratet und ihre drei Kinder Jonas, Cecilia und Marika kommen mit Kind und Kegel zu Besuch.
Doch jedes der inzwischen erwachsenen Ritter-Kindern hat seine ganz eigenen Probleme, Sorgen und Geheimnisse, die ihr Leben bestimmen und mit denen sie zum Fest anreisen. Auch die Eltern haben sich auseinandergelebt und verkünden ihrer überraschten Familie die Trennung. Eine umfängliche Geschichte nimmt ihren Lauf, die nicht so sommerlich leicht dahinplätschert, wie man vielleicht erwartet hat. 
Ungeplante Schwangerschaften, Wunschkinder, eingefahrene Partnerschaften, überfordernde Elternschaft, scheiternde Beziehungen und neue Lieben werden ebenso thematisiert wie verstrichene Chancen, goldene und verschüttete Erinnerungen, Abschiede und Neuanfänge. 
Das Buch ist in vier größere Abschnitte unterteilt, in welchem je ein Kind der Familie im Mittelpunkt steht. Zu Beginn jedes Kapitels findet sich immer ein Ausschnitt eines Telefonats, eine Chatnachricht, eine E-Mail oder ein Brief, meist aus der Vergangenheit, der die Puzzleteile der Geschichte zusammenführt und Lücken füllt. So wird dem Lesepublikum schnell deutlich: hier ist nicht alles so, wie es zunächst scheint. Dieses Stilelement hat mir sehr gut gefallen. 
Insgesamt war der Roman dicht bepackt mit allerlei Themen, was an einigen Stellen etwas überladen und gewollt wirkte. Es fehlte mir an Tiefe, da vieles nur oberflächlich
angesprochen wurde. Keine der Figuren war mir durchgängig sympathisch und dich konnte deren Emotionen und Handlungen manchmal nicht so gut nachvollziehen. 
Die Fülle der teilweise wirklich schwierigen Themen überdeckte das Sommergefühl beim Lesen, so dass die Geschichte phasenweise eher Schwermut verbreitete. Ich bin auf das nächste Buch von Kristina Pfister gespannt, welches vielleicht thematisch etwas abgespeckter, dafür aber tiefgründiger und stimmungsvoller daherkommt.

Für Euch gelesen, zusammengefasst und empfohlen

Dr. Jekyll

Eine Sommerlektüre aus Frankreich

Die Chance unseres Lebens


Sophie Astrabie (Autor*in)


  • Altersempfehlung: ab 16 Jahren
  • ISBN: 978-3758700170
  • Erscheinungstermin: 28.05.2025
  • Seiten: 288
  • Verlag: Fischer

Covertext

Er hatte versprochen, ihr das Meer zu zeigen. Und dann verschwand sie plötzlich aus seinem Leben. Zwanzig Jahre sind seitdem vergangen. Inzwischen führt Stanislas Gélin ein ruhiges Dasein, vielleicht sogar ein bisschen zu ruhig. Als er überraschend eine Nachricht von Sara erhält, bringt die alles durcheinander, auf einmal ist alle Vertrautheit zurück und eine andere Zukunft scheint möglich. Aber woran trägt Sara so schwer – trotz ihrer noch immer so ansteckenden Lebensfreude? Und ist Stanislas bereit, dieses eine echte Leben zu leben, auch wenn es ihm so viel Glück verspricht?

Rezension  

Was wäre gewesen, wenn…. Diese Frage stellen wir uns sicher einige Male im Laufe unseres Lebens. Oft bestimmen lang überdachte Entscheidungen, aber auch spontane Entschlüsse und nicht zuletzt tausend Zufälle den Werdegang jedes Einzelnen. Häufig wissen wir erst im Nachhinein, ob gewisse Dinge uns positiv oder negativ beeinflusst haben. Und noch häufiger bleiben uns die Chancen und Entwicklungen, die es vielleicht gegeben hätte, für immer verborgen. 
Über die Kraft einer zweiten Chance, schicksalhafte Zufälle und die Tatsache, dass
man sich immer zweimal begegnet, hat Sophie Astrabie einen unaufdringlichen, melancholischen und dennoch hoffnungsvollen Roman geschrieben. Im Mittelpunkt steht der fast vierzigjährige Stanislas, dessen Leben in nahezu immer gleichen, ruhigen Bahnen verläuft. Da sind die Arbeit, wenige Freunde und der sonntägliche Besuch bei den Eltern. Stanislas ist strukturiert, plant immer alle Eventualitäten ein und ist es gewohnt Zweiter zu sein. Seine Kindheit wird von dem Verlust des Erstgeborenen der Eltern überschattet, der ebenso Stanislas hieß. Selbst im Erwachsenenalter fühlt er sich oft als Ersatz, die Eltern sind inzwischen alt und seltsam geworden und alles plätschert ereignislos vor sich hin. Doch schlagartig tritt nach zwanzig Jahren Sara, Stanislas einstige (und einzig wirkliche) Liebe aus seiner Jugendzeit, wieder in sein Leben. Die exzentrische Frau verkörpert das Gegenteil zu Stanislas‘ Leben und stellt seine Welt mit seltsamen Dates, aufwühlenden Aussagen und Fragen sowie immer neuen Ideen auf den Kopf.
Durch Rückblenden in die Vergangenheit der beiden, wird ihre Beziehung zueinander sowie die Entwicklung des Einzelnen verdeutlicht und Handlungen nachvollziehbar gemacht. Sehr langsam und auf Umwegen finden die beiden miteinander ihren Weg, um Erfahrungen aufzuarbeiten und sich aufeinander einzulassen.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen und stimmte mich trotz einer immer wiederkehrenden Melancholie nicht traurig. Den Lesenden wird sprachlich wunderbar vermittelt, dass jedes Leben seine Wirren und Verfehlungen hat, aber dennoch neue Wendungen alles verändert und neu gestaltet werden kann. Astrabies Schreibstil hat eine ganz eigene Poesie, wodurch Stimmungen und Szenen ohne zu viele Worte an Tiefe und Ausdruckskraft gewinnen. Sehr schön ist auch die Tatsache, dass die Erzählung nicht durch viele Charaktere, Handlungsstränge und Orte bzw. Geschehnisse ablenkt, sondern eher reduziert aufgebaut ist. So fällt es leicht, sich auf die Sprache und die Handlung einzulassen und das Buch zu genießen. 
Empfehlenswert ist das Buch für alle, die auf romantische Schnörkeleien gern verzichten, ein bisschen Tragik mögen und das leise, hoffnungsverheißende und dennoch offene Happy End lieben.

Für Euch gelesen, zusammengefasst und empfohlen

Dr. Jekyll

Vampir-Love-Story

In the Shadows we wait Alessia Gold (Autor*in) Altersempfehlung: ab 16 Jahren ISBN:  978-3-426-56571-1 Erscheinungstermin: 01.10.2025 Seite...