Mittwoch, 2. Oktober 2024

Psychischen Erkrankungen im Kinderbuch

Gibt es Pflaster für die Seele?

Dagmar Geisler (Autor*in)


  • Altersempfehlung: ab 5 Jahren
  • ISBN: 978-3-7432-1919-9
  • Erscheinungstermin: 11.09.2024
  • Seiten: 36
  • Verlag: Loewe

Covertext

Hast du dir den Fuß verstaucht oder tropft die Nase, dann gehst du zum Arzt, ganz klar. Aber was, wenn es deiner Seele nicht gut geht? Wenn dir gar nichts Freude bereitet? Wenn du unerklärliche Ängste hast? Oder wenn du immer wieder Dinge tust, die du gar nicht tun willst? Gibt es auch dafür eine Medizin? Und darfst du darüber überhaupt reden?
Ganz aus der Sicht der Kinder erzählt dieses Buch von verschiedenen psychischen Krankheiten und Störungen und davon, wie sie den Alltag der Betroffenen und Angehörigen beeinflussen. Es macht Mut, offen über diese Erkrankungen zu sprechen und zeigt Wege auf, damit umzugehen.

Rezension  

Im Vorwort dieses Buches verdeutlicht Autorin Dagmar Geisler zunächst ihre Intention: das Thema der psychischen Erkrankungen soll Kindern altersgerecht nahe gebracht werden. Immer mehr Erwachsene und auch Kinder kommen in ihrer Lebenswelt damit in Berührung oder sind selbst betroffen. Dagmar Geisler möchte daher einladen, die Thematik mit Kindern anzusprechen, Ängste und Lasten zu nehmen sowie klischeehaftem Denken bzw. einer Tabuisierung entgegenwirken. 
 
Zunächst werden im Buch Kinder mit ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten vorgestellt, so dass Individualität besprochen werden kann. Dann führt die Autorin über die körperlichen Erkrankungen langsam zu den seelischen Erkrankungen hin und der Begriff Seele sowie verschiedene Emotionen werden angesprochen. Dies geschieht durch die Aussagen von Kindern, mittels witziger Zeichnungen und comicartiger Illustrationen. Viele Fachbegriffe, z.B. Psychologe oder Therapeut u.ä., werden erläutert und im Anschluss verschiedene Arten psychischer Erkrankung aus der Ich-Perspektive unterschiedlicher betroffener Personen beschrieben. Dabei werden Angststörungen, ADHS, Zwangsstörungen, das Tourette-Syndrom, Magersucht, posttraumatische Belastungsstörungen, Autismus und Suchterkrankungen (Alkoholsucht) auf mehreren Seiten unter die Lupe genommen. Am Beispiel eines Familienvaters wird die Depression mit ihren Auswirkungen detaillierter beschrieben. Es werden die Probleme des Alltags benannt und bildlich verdeutlicht, aber auch Therapiemöglichkeiten und Hilfen aufgezeigt. Auch typische Fragen und mögliche Emotionen aus der kindlichen Perspektive bei betroffenen Elternteilen rückt die Autorin in den Fokus, z.B. Schuldgefühle, Wut, Angst und Ohnmacht. Der Ausblick, den Dagmar Geisler am Ende des Buches bietet, ist ein positiver: dem depressiven Vater kann geholfen werden und Kinder bekommen in strahlend bunten Farben Tipps, was die Seele stark macht und wo sie Hilfe finden können (Adressen von Telefonseelsorge etc.). 

Das Buch ist passend zum Thema illustriert und unterstützt so das Verständnis der jungen Betrachter für dieses komplexe Thema. Es ist ebenso mutig wie wichtig, das Vorhandensein psychischer Erkrankungen und den Umgang damit für Kinder aufzubereiten, vor allem, wenn diese selbst betroffen sind oder es Fälle in der Familie bzw. dem näheren Umfeld gibt. 
Der Autorin ist es gelungen, viele Informationen im Buch zu vereinen, doch für das angegebene Alter von 5 Jahren finde ich die Texte viel zu schwierig, lang und umfassend. Einige sehr tiefgreifende Themen und Begriffe werden angerissen (Seele, Gefühle, Träume), die Kinder dieses Alters meist noch nicht gänzlich erfassen. Ich könnte mir vorstellen, dass das Buch bei Kindern von 5 bis 7 mehr Fragen aufwirft, als es Klarheit bringt. Zudem ist viel Konzentration nötig, um die längeren Texte aufzunehmen und zu verarbeiten. 
 
Für ältere Kinder halte ich das Buch durchaus für geeignet, allerdings würde ich es nicht in seiner Gesamtheit präsentieren, sondern nur in Teilen vorlesen, beispielsweise nur die Erkrankungen thematisieren, die ggf. im Zentrum des Interesses stehen oder eventuell gerade in einer Familie aktuell sind. 
Der Einsatz des Buches sollte pädagogisch sehr intensiv vor- und nachbereitet werden und es eignet sich nicht als Lektüre für „zwischendurch“. Ich würde es einsetzten, wenn das Thema psychische Erkrankungen tatsächlich durch die Kinder eingebracht wird oder eben durch deren Erfahrungen damit präsent ist. Ein dosierter, an der Lebenswelt der Kinder orientierter Einsatz des Buches im familiären oder pädagogischen Alltag ist durchaus empfehlenswert, allerdings erst ab einem Alter von etwa 8 Jahren. 
Inwieweit man das Buch ohne konkreten Anlass, also das Auftreten einer psychischen Erkrankung im näheren Umfeld, zu Einsatz bringt, bleibt dem Erwachsenen überlassen. Die Reife der Kinder sollte dabei unbedingt beachtet werden, da es trotz einer kindgerechten Aufbereitung ein schwieriges und möglicherweise auch aufwühlendes Themenfeld ist.

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