Sonntag, 13. August 2023

Ein umfassendes Portrait sehr ausdrucksvoller Figuren

Porträt auf grüner Wandfarbe

Sandmann, Elisabeth (Autor*in)

  • Altersempfehlung: ab 16 Jahren
  • ISBN:978-3-492071987
  • Erscheinungstermin: 27.07.2023
  • Seiten: 512
  • Verlag: PIPER

Covertext

1918 trifft die bodenständige Ella im oberbayerischen Schloss Elmau auf die glamouröse Ilsabé. Es entsteht eine ebenso unzerbrechliche wie komplizierte Freundschaft, die Kriege übersteht, Jahrzehnte überdauert und dramatische Geheimnisse bewahrt.

Schon als Mädchen träumt Ella Blau aus Bad Tölz von eigenen Schuhen aus Leder, die ihr den Weg in ein unabhängiges Leben ermöglichen sollen. Jahrzehnte später liest die junge Londoner Übersetzerin Gwen die roten Hefte, die Ella bis 1938 mit ihren Erinnerungen gefüllt hat. Ellas Aufzeichnungen führen Gwen in das legendäre Hotel Schloss Elmau, zu einem Gutshof bei Köslin und in das Berlin der 1920er-Jahre. Ellas Schicksalsfreundin Ilsabé, Gwens inzwischen 94-jährige und reichlich kapriziöse Großmutter, scheint ihr Wichtiges aus der Vergangenheit zu verschweigen. Geht es nur um verlorene Bilder oder doch um viel größere Verluste? Auf ihrer Reise in die aufwühlende Geschichte ihrer Familie versucht Gwen, das Geheimnis zu entschlüsseln.

Rezension  

Der Debütroman der Autorin Elisabeth Sandmann hat mich zunächst durch sein auffällig gestaltetes Cover beeindruckt. Dieses vereint durch das kräftige Blau mit goldenen Elementen und dem nostalgischen Foto die Vergangenheit mit dem Jetzt und wirkt dadurch frisch und modern. Aufgrund des Titels des Buches wäre allerdings vielleicht grün auch eine gute Option gewesen.

Elisabeth Sandmann hat in diesem Roman, der historisch fast ein komplettes Jahrhundert abdeckt, viele starke, vor allem weibliche Charaktere in den Vordergrund der Handlung gestellt. Dabei sind alle Frauen durch ihre teils gemeinsamen Wurzeln miteinander verwoben und bergen so manches, über Jahrzehnte gehütetes Geheimnis.

Zunächst begegnet dem Leser Gwen, die von ihrer rüstigen Tante Lily zu einer Reise in deren alte Heimat Pommern nahezu verdonnert wird, obwohl sie gerade frisch getrennt ist und eigentlich andere Reisepläne hegt. Im Zuge der Vorbereitungen zur Reise auf das alte Familiengut gerät Gwen immer tiefer in den Sog der eigenen Vergangenheit und entdeckt stückweise, wer ihre Verwandten sind und waren, welche Rolle sie im Damals spielten und was dies alles mit dem frühen Tod ihrer eigenen Mutter Marga zu tun hat. Noch ahnt Gwen nicht, dass diese Reise ihr Leben für immer verändern wird.

In Rückblenden, die in Form alter Tagebücher erzählt werden, lernt man auch Ella kennen, die mutig und selbstbewusst ihrer Zeit zu Beginn des letzten Jahrhunderts voraus eilt und sich im Laufe ihres ereignisreichen Lebens immer weiter emanzipiert. Als tragende, mit allen Beteiligten verbundene Figur gibt Ella dem Leser Einblicke in die verschiedenen Epochen und geschichtlichen Ereignisse in Deutschland, sowohl auf politischer als auch auf künstlerischer und gesellschaftlicher Ebene. Emotional wird man durch die beschriebenen Romanzen, Intrigen, Versäumnisse und Verwirrungen in Ellas Leben berührt und kommt ihr nahe. Für mich ist Ella die treibende Kraft der Geschichte, die durch die Entdeckungen Gwens im Laufe des Romans fast zu einer heldenhaften Figur wird.
Aber Ella und Gwen sind nicht die einzigen detailreich ausgeformten Charaktere der Geschichte, auch Ilsabé, Onkel Theo, Jakob und einige mehr ziehen den Leser schnell in ihren Bann. Anfangs fiel es mir aufgrund der detailreich beschriebenen Szenen und der Vielzahl an Figuren, die im Buch immer wieder partiell auftauchen, nicht leicht, die Übersicht zu behalten. Die in Form eines Lesezeichens beigelegte Übersicht der Personen war da sehr hilfreich.

Insgesamt ist es der Autorin gelungen, mich in den Bann des Buches zu ziehen. Sie hat ein umfassendes Portrait sowohl der ausdrucksvollen Figuren als auch des Deutschlands im 20. Jahrhunderts gezeichnet, wobei sie mitunter sehr ins Detail ging. Da der Roman sowohl in England, aber auch in den Alpen, in Berlin und an der Ostsee, in Italien und sogar (wenn auch nur angerissen) in Ägypten und Chile spielt, wird es dem Leser nicht langweilig. Und falls man doch einmal geneigt ist, zu denken, dass eigentlich nichts Überraschendes urplötzlich mehr auftauchen kann, dann wird man schnell eines Besseren belehrt. 

Übrigens: Was es mit dem Portrait auf grüner Wandfarbe tatsächlich auf sich hat, tritt erst auf der fast letzten Seite ans Licht...

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