Samstag, 10. Februar 2024

Was passiert, wenn der Strom ausfällt?

Ziemlich zappenduster

Oliver Uschmann (Autor*in)

  • Altersempfehlung: ab 11 Jahren
  • ISBN: 978-3-407-81339-8
  • Erscheinungstermin: 07.02.2024
  • Seiten: 108
  • Verlag: Beltz & Gelberg

Covertext

Stromausfall. Familie Fürstenberg sitzt in ihrer Wohnung fest. Ohne Heizung, Licht und warmes Wasser. Vater Lars hat die Energiekrise ignoriert und keine Vorräte eingekauft. Sein Motto: `Da passiert nix!´ bringt Mutter Jasmin auf die Palme. Und wie sollen Lisa und Niklas ohne Internet und Smartphone überleben? Aber Vater Lars will keine Hilfe. Schon gar nicht von den chinesischen Nachbarn aus dem 3. Stock. Lisa reicht es. Es wird Zeit, dass was passiert!
Ein brisantes, urkomisches “Was wäre wenn”-Szenario - auch für Kinder, denen das Lesen noch nicht leichtfällt.

Rezension 

Was passiert, wenn der Strom ausfällt? Nicht nur für eine Stunde oder einen Tag, sondern eine Woche oder länger. Welche Dynamiken entwickeln sich in einer Familie? Wie wird mit knappen Ressourcen umgegangen?

Oliver Uschmann beschreibt diese Situation sehr anschaulich am Beispiel von Familie Fürstenberg. Vater Lars kauft grundsätzlich nicht mehr als notwendig ein, lieber geht er zweimal am Tag zum Discounter. Lebensmittelvorräte sind in den Schränken der Familie nicht vorhanden. Als es zum landesweiten Stromausfall kommt und niemand das Haus verlassen darf, treibt der Mangel an gewohnten, alltäglichen Dingen die Familie an ihre Grenzen.

Interessant ist, wie sich im Verlauf der Zeit die Prioritäten verschieben. Wenn am Anfang noch über die Akkulaufzeit vom Handy nachgedacht wird, ist man später schon dankbar für ein Glas Wasser. Sehr anschaulich dargestellt sind auch die unterschiedlichen Phasen, welche die Familie durchläuft: Panik, Schuldsuche und -zuweisung, Hilflosigkeit, aggressiver Aktivismus, kriminelle Handlungen, Neid, Leugnen, Verschwörungstheorien, Resignation.

Im Haus wohnt noch Familie Shin, welche mit Balkonkraftwerk und ausreichend Vorräten für die Situation gut gerüstet sind. Das Hilfsangebot dieser Familie lehnt Vater Lars allerdings stolz ab. Tochter Lisa ist da viel pragmatischer und erstaunlich normal, wenn man die anderen Familienmitglieder betrachtet.

Die Geschichte wird von Lisa in der Ich-Form im Präsens erzählt. Dadurch werden die Lesenden schnell in die Handlung hineingezogen und nehmen sehr direkt am Verlauf teil. Das fiktive Gedankenspiel fühlt sich dadurch beim Lesen sehr real an. Schriftgröße, Zeilenabstand und Seitengestaltung sind großzügig und laden auch ungeübtere Leser*innen ab 11 Jahren zum Lesen ein. Die Kapitel sind angenehm kurz und in übersichtliche Abschnitte gegliedert.

Vater Lars ist mir leider bis zum Schluss nicht sympathisch geworden. Sein Verhalten hatte teilweise etwas von einem bockigen Kleinkind. Auch wenn er Burnout hat, der Sündenbock für die Familie ist und von seiner Frau permanent angezickt wird, kann ich über seine rassistischen und diskriminierenden Äußerungen nicht hinwegsehen. Immerhin hat er zum Ende heraus gefunden womit er zukünftig zum Lebensunterhalt beitragen möchte. Ich hatte auf Biogemüse von der Dachterrasse gehofft, stattdessen ist es ein Ladenlokal für den Notfall. Irgendwie hätte ich mir zum Schluss eine andere Botschaft gewünscht, als dass man mit der Not anderer Geschäfte machen kann.

Leider ist auch Mutter Jasmin für mich keine Sympathieträgerin. Sie kritisiert alles, trägt aber Null zur Konfliktlösung bei. Generell scheint sie sehr unzufrieden zu sein und nimmt es ihren Kundinnen sogar übel, wenn diese aufgrund der Situation nicht zum „Handauflegen“ kommen. Für mich ist das eine Familie, die auch ohne Stromausfall schon lange nicht mehr richtig funktioniert. Bruder Nicklas hat ein besonders merkwürdiges Hobby er versucht durch Clickbait im Internet reich zu werden. Im Hinblick auf dieses Hobby erscheint die Geschäftsidee des Vaters dann schon wieder logisch.

Auf jeden Fall bietet das Buch unglaublich viele Gesprächsanlässe und regt zu starken Diskussionen an, wirklich empfehlen möchte ich es aber nicht. Dem angekündigten Humor konnte ich leider auch nichts abgewinnen.

Für Euch gelesen und rezensiert

Emmy Lantern

 

 

Buch des Monats Februar 2024


 

Montag, 5. Februar 2024

Lesung und Workshop - Zusammenfassung mit Bildern

 Buchlesung und Workshop

"Das Mädchen in unserem Badezimmer"

Der Club der anonymen Bookoholiker war vom 17. – 19.01.2024 zu Besuch in der Gebrüder Reichenbach Schule. Dort haben wir mit den Schüler*innen der achten Klassen ein tolles Buchprojekt durchgeführt. Wir freuen uns sehr, dass Frau Büttner und Frau Soeffing dieses Projekt möglich gemacht und uns die Projekttage im Schulalltag eingeräumt haben.

Für die Lesung haben wir Frau Kerstin Wacker vom Verlag Wacker und Freunde sowie die Streetworker vom Tee-Mobil der Diakonie Magdalenenstift eingeladen.

Frau Wacker hat aus ihrem aktuellen Jugendbuch „Das Mädchen in unserem Badezimmer vorgelesen“. Darin geht es um ein Mädchen, welc
hes ohne Wohnung versucht auf den Straßen von Berlin zu überleben. Die Altenburger Streetworker Jana Mortag und Jonas Köhler haben den Vortrag durch ihre Erfahrungen bereichert und aufgezeigt, dass man nicht allein ist, sondern an den richtigen Stellen kompetente Hilfe erhalten kann.

Nach der Lesung haben wir als Buchclub mit den Schülern ein Quadrama gebastelt. In den vier Feldern sollte jeder mit Texten und Bildern folgende Punkte darstellen:

1. Zu Hause bedeutet für mich:

2. Das finde ich toll / Das mache ich gern

3. Das macht mich wütend

4. Hier erhalte ich Hilfe

Während der Arbeit am Quadrama hatten wir dieMöglichkeit uns als Buchclub vorzustellen und haben sofort neue Clubmitglieder gefunden.

Außerdem ergaben sich tolle Gespräche zwischen den Schüler*innen und den Streetworkern sowie der Autorin.

Am Ende konnten wir den Schüler*innen der Gebrüder Reichenbach Schule einen ganzen Klassensatz des Buches „Das Mädchen in unserem Badezimmer“ überreichen.


Lesung und Bücher waren nur durch die großzügige finanzielle Unterstützung der Literanauten des AKJ möglich. Vielen Dank an Doris Koopmann für ihre geduldige Hilfe und die kompetenten Ratschläge.

Uns haben die drei Tage richtig viel Spaß gemacht und wir bedanken uns bei allen Mitwirkenden für die tolle Gelegenheit und die informativen Stunden.

 

Euer Club der anonymen Bookoholiker

 

PS: Finanziert wurde diese Veranstaltung durch die „Literanauten", die vom
Arbeitskreis für Jugendliteratur ausgerichtet und durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie die Waldemar-Bonsels-Stiftung gefördert werden. Der Schwerpunkt der Literanauten liegt auf dem Peer-to-Peer-Ansatz: Leseaffine, in Leseclubs, Literaturjurys oder Schreibgruppen organisierte Jugendliche werden zunächst geschult und dann selbst motivierend aktiv. Ihr Ziel ist es, mit solchen regionalen Events wie dem unseren und anderen literarischen Aktionen noch mehr Kinder und Jugendliche für Bücher zu begeistern. Weitere Informationen findet Ihr unter unter www.literanauten.org

 

 

Sonntag, 4. Februar 2024

Eine epische, mitreißende Familiengeschichte

 Das Erbe unserer Zeit

Lindemann, Clara (Autor*in)

  • Altersempfehlung: ab 18 Jahren
  • ISBN: ‎  978-3-551-02918-8
  • Erscheinungstermin: 25.04.2023
  • Seiten: 304
  • Verlag: HarperCollins

Covertext

München-Schwabing, 1958: Gerda Branniger steht in den Startlöchern, um das familiäre Hopfenimperium zu übernehmen. Ihr Leben lang hat sie sich darauf vorbereitet, nur eines fehlt ihr: das "richtige" Geschlecht, denn plötzlich wird ihr der völlig unqualifizierte Bruder vor die Nase gesetzt. Dann erhebt auch noch Schwester Liesel Anspruch auf den Chefsessel – für ihren Ehemann. Gerda hat nur eine Verbündete in dem ungleichen Kampf: ihre Freundin Billie, die als Ingenieurin schon seit Jahren um Anerkennung in einer Männerwelt ringt. Doch während bei Billies Kampf nur regelmäßig die Kündigung droht, steht bei Gerda schon bald das jahrhundertalte Erbe der Familie auf dem Spiel …

Rezension  

Mit diesem Roman beschreibt die Autorin Clara Lindemann detailliert das Leben von drei sehr unterschiedlichen Frauen Ende der 50er Jahre in Deutschland, einer Zeit, die immer noch stark geprägt war vom Krieg und alten Rollenklischees. Diesem entsprechen die Frauen bis auf eine teilweise gar nicht mehr und dennoch wird ihr Leben davon geprägt und oft negativ beeinflusst. Alle drei Frauen – Gerda, Billie und Liesel – sind miteinander verwandet bzw. befreundet oder bekannt und könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Gerda und Billie sich trotz der Grenzen, die ihnen durch die Männerwelt gesetzt werden, langsam emanzipieren und durchsetzen, verkörpert Liesel Tradition und klassisches Rollenbild der dienenden Ehe- und Hausfrau. Gerda und Liesel sind Schwestern und Erben eines gut laufenden Unternehmens. Während Liesel jedoch mit diesem zunächst nicht viel zu tun hat und in erster Linie ihren im Unternehmen beschäftigten Mann unterstützt, ist es Gerdas Traum, an der Spitze der Firma zu stehen. Als alleinstehende, gebildete Frau wird sie jedoch oft von der männerdominierten Geschäftswelt nicht wahr- und ernst genommen und selbst, als der Vater aus zunächst nicht näher bezeichneten Gründen untertaucht, muss sie auf die Chefposition verzichten. Im Laufe des Romans ist Gerda immer wieder überraschenden Wendungen und Intrigen ausgesetzt, die sie jedoch kühn meistert. Ohne großartige Gefühlsduselei widmet sie sich ihrer Profession, dem Hopfenanbau bzw. der Vermarktung des Hopfens, und findet darin ihr Glück – samt der Liebe, die ihr fast am Endes des Romans begegnet.
Ihre beste Freundin Billie ist ebenso gebildet, im Gegensatz zu Gerda aber impulsiv, emanzipierter und zudem verheiratet. Nicht nur beruflich eckt Billie durch ihre direkte Art an, auf privat riskiert sie viel, um sich selbst zu verwirklichen. Billies Wege kreuzen auch das Hopfenunternehmen und es wird aufgezeigt, dass Gerda und Billie die Firma perfekt führen könnten – wenn da nicht verschiedene Ereignisse und nicht zuletzt Liesels Eingreifen den Weg immer wieder erschweren würden. Liesel intrigiert im Hintergrund, um ihrem untreuen Mann die Unternehmensspitze zu sichern und steuert damit nicht nur Andere, sondern auch sich selbst immer mehr ins Abseits. 
Insgesamt hat es viel Spaß gemacht, die Entwicklung der drei Frauen im Roman zu verfolgen und die immer wieder auftauchenden Wendungen mit Spannung zu erleben. Der Aufbau des Romans macht das Lesen einfach, denn die einzelnen Kapitel sind jeweils mit den Namen der Frauen überschrieben, um die es im Kapitel geht. So kann man sich als Leser*in gut orientieren und einfühlen. Das von der Autorin gewählte Hauptthema des Hopfenanbaus bzw. der Vermarktung des Hopfens an die Brauereien ist für die Lesenden interessant aufbereitet, da man es in der Literatur nicht häufig findet. Für Leser*innen aus Bayern, insbesondere München und der Hallertau, ist das Lesen sicher eine noch größere Freude, da die Geschichte in diesen Regionen spielt. Dennoch wird das Thema nicht bis ins kleinste Detail langwierig beschrieben, so dass die Lesenden zwar einen Eindruck erhalten, aber nicht gelangweilt werden. Ich empfehle dieses Buch allen, die Familiengeschichten mögen und sich für die Emanzipation von Frauen in den 50ern interessieren. (18 Jahre)

Für Euch gelesen, zusammengefasst und empfohlen

 Dr. Jekyll

 

 

Großartige Unterhaltung mit zwei völlig gegensätzlichen Charakteren

Der Bärbeiss Annette Pehnt (Autor*in) Josephine Mark (Illustrator*in) / Jutta Bauer (Illustrator*in) Altersempf ehlung: ab 5 Jahren ISBN:...